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UStR 2000 Entwurf des Wartungserlasses 2019 Rdn. 345 Einarbeitung EuGH 15.05.2019, Rs C-235/18, Vega International Car Transort and Logistic, zu Tankkartenunternehmen

Sehr geehrte Damen und Herren,

der UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen e. V. ("UNITI") bündelt die Kompetenzen bei Kraftstoffen, im Wärmemarkt und bei Schmierstoffen. Er repräsentiert rund 90 Prozent des organisierten Mineralölmittelstandes in Deutschland.

Mitglieder der UNITI sind insbesondere die führenden Emittenten von Tankkarten, DKV EURO SERVICE GmbH + Co. KG, UNION TANK Eckstein GmbH & Co. KG ("UTA") und die LOGPAY TRANSPORT SERVICES GMBH. Das vorliegende Schreiben ist mit diesen Unternehmen abgestimmt und wird von ihnen in vollem Umfang unterstützt.

I. Vorbemerkungen zum Sachverhalt

UNITI und die genannten Mitgliedsunternehmen beobachten fortlaufend die Entwicklungen der rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Geschäftsmodelle. So wurde auch das Urteil des EuGH vom 15.05.2019 in der Rechtssache Vega International Car Transport and Logistic - Trading GmbH eingehend analysiert. Ergebnis der Analysen war und ist, dass dem Urteil des EuGH hinsichtlich der Geschäftsbeziehung zwischen der österreichischen Vega International Car Transport and Logistic - Trading GmbH und ihrer Tochtergesellschaft in Polen ein Sachverhalt zugrunde lag, der nicht den Geschäftsmodellen der Branche entspricht. Daher sehen die genannten Mitgliedsunternehmen der UNITI ihre Geschäftsmodelle durch die Entscheidung des EuGH nicht in Frage gestellt.

Den branchenüblichen Geschäftsmodellen wird aus Sicht der UNITI und ihrer Mitgliedsunternehmen auch der aktuell vorgelegte Entwurf für eine Einarbeitung des EuGH Urteils in den Wartungserlass noch nicht gerecht. Denn die dort behandelte Verrechnung von Kraftstoff durch ein Tankkartenunternehmen gegenüber dem Frächter im eigenen Namen und für fremde Rechnung (des Tankstellenbetreibers) entspricht zumindest nicht dem Geschäftsmodell, das jedenfalls bei den Mitgliedsunternehmen der UNITI (und damit den Marktführern der Branche) zur Anwendung gelangt. Würde der Wartungserlass unverändert in Kraft gesetzt, besteht aus Sicht der UNITI und ihrer Mitgliedsunternehmen die Gefahr erheblicher Verunsicherung, weil nicht deutlich würde, dass sich der Wartungserlass nur mit Ausnahmesachverhalten befasst und für die branchenüblichen Geschäftsmodelle keine Aussagen trifft.

Sollte es in der Folge zu einer sachwidrigen Anwendung des Wartungserlasses auf die typischen Geschäftsmodelle von Tankkartenunternehmen kommen, würden nicht nur die Emittenten von Tankkarten, sondern vor allem auch die Mineralölwirtschaft und die ASFiNAG vor Herausforderungen gestellt, die nicht zu bewältigen wären - schon gar nicht ohne lange Übergangsfristen zur Umstellung von Prozessabläufen, für die allerdings heute gar keine Lösung erkennbar ist.

UNITI und ihre Mitgliedsunternehmen sehen das erhebliche Risiko, dass Endkunden bei Anwendung des Wartungserlasses auf die typischen Geschäftsmodelle, die die Emittenten von Tankkarten und die Mineralölgesellschaften zur Versorgung ihrer Kunden in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben, in Österreich nicht mehr bedarfsgerecht versorgt werden können, so dass international agierende Endkunden auf andere Länder ausweichen werden.

UNITI und ihre Mitgliedsunternehmen bitten daher das Bundesministerium für Finanzen, den Entwurf unter diesem Gesichtspunkt zu überprüfen und klarzustellen, dass das Urteil des EuGH in Sachen VEGA International für den Vertrieb im geschäftstypischen Reihengeschäft keine Anwendung findet.

II. Begründung

Der Entwurf des Wartungserlasses behandelt die

"… Verrechnung von Treibstoff durch einen Tankstellenbetreiber an ein Tankkarten unternehmen und einer darauffolgenden Weiterverrechnung vom Tankkartenunternehmen (im eigenen Namen und für fremde Rechnung) an einen Frächter …"

Eine Verrechnung im eigenen Namen und für fremde Rechnung findet indessen bei den für den Vertrieb von Kraftstoff typischen Geschäftsmodellen nicht statt. Vielmehr sehen die Verträge zwischen den Mineralölgesellschaften und den Tankkartenunternehmen ebenso wie die Verträge zwischen den Tankkartenunternehmen und ihren Endkunden oder ggf. zwischengeschalteten Resellern jeweils einen Verkauf im eigenen Namen und für eigene Rechnung vor (Reihengeschäft). Dies gilt zivilrechtlich und insbesondere auch mit Blick auf die Preisbildung auf den Ebenen Mineralölgesellschaft / Tankkartenunternehmen einerseits und Tankkartenunternehmen / Endkunde andererseits. In Übereinstimmung mit den vertraglichen Vereinbarungen wird der Leistungsbezug auch faktisch als Reihengeschäft abgewickelt. Anders als beim Einsatz anderer Kartenprodukte (Kreditkarte, Debitkarte) erfolgt der Bezug von Kraftstoff beim Einsatz einer Tankkarte gegen Lieferschein im Namen und für Rechnung des jeweiligen Tankkartenunternehmens. Dies unterstreicht, dass zwischen dem Kunden und dem Lieferanten keine vertraglichen Beziehungen bestehen.

Weitere Einzelheiten zur Bedeutung von Tankkarten, dem zugrunde liegenden Geschäftsmodell und umsatzsteuerlichen Beurteilung sind in der als Anlage beigefügten Notiz dargestellt.

Eine Anwendung des EuGH Urteils in Sachen Vega International auf diesen Sachverhalt würde die zivilrechtliche Vertragsgestaltung unterlaufen und daher den Grundsatz missachten, dass eine steuerliche Bewertung den zivilrechtlichen Grundlagen zu folgen hat, sofern sie klar und konsistent ausgestaltet sind und die Vertragsbeziehungen entsprechend "gelebt" werden. An beiden Voraussetzungen – Vertragsgestaltung und entsprechendem Verhalten – mangelte es im Fall Vega International. Sind diese Voraussetzungen, wie bei den branchentypischen Geschäftsmodellen von Tankkartenunternehmen erfüllt, ist die steuerliche Bewertung vorgegeben: Die Leistungshandlung, also die Lieferung, ist allein demjenigen zuzurechnen, der sie nach den vertraglichen Vereinbarungen und dem faktisch-wirtschaftlichen Auftreten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbringt. Konkret ist dies der Tankstellenbetreiber gegenüber dem Tankkartenunternehmen und das Tankkartenunternehmen gegenüber dem Endkunden.

Eine (unzulässige) steuerliche Bewertung, die sich hierüber hinwegsetzen wollte, hätte Folgen, mit denen sich der EuGH nicht befassen musste, die jedoch im Zusammenhang mit dem Wartungserlass berücksichtigt werden müssen. Der EuGH hatte zu dem vorgelegten Sachverhalt eine einzelne, einen Ausschnitt betreffende Frage zu entscheiden, wohingegen die Finanzverwaltung nach unserem Verständnis die Umsetzbarkeit ihrer Vorgaben für alle Beteiligten berücksichtigen muss. Insoweit aber gilt Folgendes:

  • Eine steuerliche Würdigung dahingehend, dass der Tankstellenbetreiber die Lieferung gegenüber dem Frächter erbringt, hätte zur Folge, dass der Tankstellenbetreiber dem Frächter zur Erstellung einer zum Vorsteuerabzug geeigneten Rechnung verpflichtet ist. Da bei der Betankung von LKWs regelmäßig der Schwellenwert für Kleinbetragsrechnungen überschritten wird, setzt dies u.a. die einschlägigen Angaben zum Frächter (korrekte Firmenbezeichnung, Anschrift etc.) voraus. Hierzu liegen aber dem Tankstellenbetreiber keine Angaben vor. Insbesondere kann der Tankstellenbetreiber diese auch nicht der vorgelegten Tankkarte entnehmen; diese sind nur dem Emittenten der Tankkarte bekannt. Weder vom Tankstellenbetreiber noch vom Fahrer des Frächters kann man erwarten, dass sie zum korrekten Austausch aller notwendigen Daten und manuellen Erstellung bzw. Kontrolle einer ordnungsgemäßen Rechnung in der Lage sind.
  • Selbst wenn aber eine solche Rechnung ausgestellt werden könnte, wären darin als Leistungserbringer und Leistungsempfänger Personen/Firmen genannt, die in keinem Rechtsverhältnis zueinanderstehen. Denn bei Akzeptanz einer Tankkarte schließen die Verträge zwischen der Mineralölgesellschaft und dem Tankkartenunternehmen ebenso wie die Verträge zwischen dem Tankkartenunternehmen und dem Endkunden unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Tankstellenbetreiber und dem Endkunden aus.
  • Die alles entscheidende Angabe einer Rechnung, der Preis, zu dem die Lieferung an den Endkunden erfolgt, ist dem Tankstellenbetreiber unbekannt. Denn die Preise werden auf jeder Handelsstufe (Mineralölgesellschaft / Tankkartenunternehmen bzw. Tankkartenunternehmen / Endkunde) individuell verhandelt.
  • Weil weder dem Tankstellenbetreiber eine Forderung gegenüber dem Endkunden zusteht, noch der Endkunde eine Verbindlichkeit gegenüber dem Tankstellenbetreiber hat, wären Rechnungen, die in konsequenter Umsetzung der Entwurfsfassung des Wartungserlasses erstellt werden müssten, für keinen Beteiligten eine geeignete Buchungsunterlage. Zu Buchungszwecken müssten abweichende Buchungsbelege erstellt werden, unter Ausweis des jeweils tatsächlichen Gläubigers und Schuldners und des zwischen ihnen jeweils maßgeblichen Preises - ein Ergebnis, das mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung schwerlich in Einklang zu bringen ist.

Die vorgenannten Konsequenzen gelten über den Vertrieb von Kraftstoff hinaus für alle Produkte, die von Tankkartenunternehmen im Reihen-geschäft vertrieben werden. Daher lässt sich generell feststellen, dass der Grundsatz der Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Gestaltungen, wenn sie eindeutig ausgestaltet sind und die faktisch-wirtschaftlichen Gegebenheiten widerspiegeln, steuerlich nicht unterlaufen werden darf. Auch für die Mautabrechnung kommt es daher immer auf die spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen und das konforme Verhalten der Beteiligten an. Wir bitten daher, die Aussagen des Wartungserlasses hinsichtlich der fahrleistungsabhängigen Maut von der ASFiNAG als Straßenbetreiber über ein Tankkartenunternehmen entsprechend anzupassen.

Wir sehen es als Bestätigung unserer Auffassung an, dass die Confédération Fiscale Européene (CFE) bereits im November 2009 den Organen der Europäischen Union empfohlen hat, die Schlussfolgerungen der EuGH-Rechtsprechung nicht auf solche Lieferbeziehungen anzuwenden, welche im Rahmen des Tankkartengeschäftes zwischen Mineralölgesellschaften und Tankkartenemittenten vereinbart werden (Opinion Statement of the CFE on the ECJ Case Auto Lease Holland BV vom November 2009). Auf die beigefügte Anlage nehmen wir Bezug.

Ergänzend fügen wir zur vertiefenden Darstellung des Tankkarten-geschäfts und zur Einordnung der Entscheidung des EuGH als Einzelfall-entscheidung (die auch als solche kritisch bewertet wird) die uns bekannten publizierten Stellungnahmen zu der Entscheidung bei (Rave/Kramer DStr 2019, 1955 ff.; Nieskens, EUUStB 2019, 81ff.).