Die globale Bedeutung des Verbrennungsmotors für deutsche Automobilhersteller

Die globale Bedeutung des Verbrennungsmotors für deutsche Automobilhersteller

In Deutschland, als Heimat einiger der weltweit führenden Automobilhersteller, wird die Debatte über ein regulatives Neuzulassungsverbot von Pkw mit Verbrennungsmotoren in der EU besonders intensiv geführt. Während der Umstieg auf die Elektromobilität von Teilen der Politik und Wirtschaft als entscheidender Schritt zur Reduzierung von CO₂-Emissionen angesehen wird, drohen für die Automobilwirtschaft und den Arbeitsmarkt erhebliche Konsequenzen. Der Verbrennungsmotor, seit über einem Jahrhundert das Rückgrat der deutschen Automobilindustrie, steht nicht nur für Ingenieurskunst, sondern ist auch Garant für Millionen Arbeitsplätze entlang der automobilen Wertschöpfungskette in Deutschland– von der Entwicklung über die Fertigung bis zur Wartung. Ein Zulassungsverbot neuer Verbrenner und ein damit einhergehendes Fertigungsaus dieses Antriebs könnte zu einem erheblichen Verlust an gutbezahlten Industriearbeitsplätzen hierzulande und deren Verlagerungen ins außereuropäische Ausland führen, da Elektrofahrzeuge antriebsseitig weniger komplex sind und für ihre Herstellung damit weniger Arbeitskräftebenötigt werden. Zudem erfahren derzeit Fahrzeuge mit Hybridmotoren weltweit einen massiven Zuwachs, so dass diejenigen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil haben, die auf einen Antriebsmix setzen. 

Grundsätzlich stellt sich in der Antriebsdebatte die Frage, warum Deutschland als Vorreiter in der Entwicklung effizienter Verbrennungs(-hybrid)motoren, seine etablierte Industrie aufgeben sollte, wenn technologische Innovationen wie synthetische Kraftstoffe nachweislich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten und Verbrenner damit klimafreundlich genutzt werden können. Analysen warnen, dass ein radikal erzwungener Wechsel zur Elektromobilität die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im globalen Automobilsektor massiv schwächen könnte. Die folgenden Ausführungen zeigen die Risiken für die Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland bei einem Verbot und dem damit einhergehenden Fertigungsende von Verbrennungsmotoren auf. Dies macht deutlich, warum es eines ausgewogenen technologieoffenen Ansatzes bedarf, der neben der Elektromobilität auch Lösungen für den Verbrenner zulässt, um Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Deutschland zu erhalten. 

Der Verbrennungsmotor dominiert weiterhin die Pkw-Neuzulassungen weltweit. Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Automobilhersteller in den automobilen Weltleitmärkten Europa, China und den USA hängt maßgeblich von dieser Antriebstechnologie ab.

 

Hohe Verbrenner-Nachfrage in Europa, den USA und China

In den Automobilleitmärkten Europa*, USA und China ist die Nachfrage nach Pkw mit Verbrennungsmotor (Internal Combustion Engines - ICE) weiterhin sehr stark:

* Europa: EU27, Schweiz, Norwegen. 

Auch die Anteile von Fahrzeugen mit Hybridmotoren sind mittlerweile nennenswert, mit hohen Wachstumsraten in China (durchschnittlich 62 % in den letzten 6 Jahren) und der EU (durchschnittlich 24 % in den letzten 6 Jahren). Diese Trends verdeutlichen, dass der Übergang zu Elektrofahrzeugen nicht abrupt erfolgen wird, sondern vor allem eine schrittweise Integration alternativer Antriebsarten stattfindet.

 

Starke Nachfrage treibt Verbrenner-Geschäft deutscher Autobauer an

Deutsche Automobilhersteller profitieren in den Leitmärkten, insbesondere bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, von dieser anhaltend starken Nachfrage. Die Verteilung der Antriebsarten bei den Pkw-Neuzulassungen deutscher Hersteller in den Märkten Europa, USA und China im Jahr 2024 verdeutlicht dies:

Anteil Fahrzeuge deutscher Hersteller an PKW-Zulassungen in 2024 in Europa*, USA, China

In weiteren wichtigen Automobilmärkten wie Indien, Japan und Südkorea sind über 90 % der Neuzulassungen deutscher Automobilhersteller mit Verbrennungsmotor ausgestattet. 

 

Verbrenner-Marktanteile zeigen Präsenz deutscher Autobauer in Leitmärkten

Die Anteile deutscher Hersteller an den Neuzulassungen von Verbrennerfahrzeugen in den drei Automobilleitmärkten ist ein wichtiger Indikator für deren dortige Marktpräsenz:

Der Verbrennungsmotor trägt maßgeblich zu den hohen Marktanteilen deutscher Hersteller bei. Künftige Neuzulassungen von Verbrennerfahrzeugen werden auch weiterhin die Position der deutschen Automobilindustrie in diesen wichtigen Märkten sichern.

 

Markt- und Exportstärke von Pkw mit Verbrennungsmotor deutscher Hersteller

Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sind ein wesentlicher wirtschaftlicher Erfolgsfaktor für Deutschland. Im Jahr 2023 war der Exportwert von Verbrennerfahrzeugen doppelt so hoch wie der von Elektroautos. Diese Zahlen unterstreichen die anhaltende globale Nachfrage nach Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor und deren Bedeutung für die deutsche Automobilindustrie.

Die starke Exportleistung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor trägt nicht nur zum Erhalt des Automobilstandorts Deutschland bei, sondern stärkt auch die globale Präsenz deutscher Automobilhersteller.

Der anhaltend hohe Nachfrage nach Pkw mit Verbrenner- oder Hybridantrieb erfordert von deutschen Automobilherstellern flexible Strategien mit einem ausgewogenen Antriebsmix, der auf die Nachfrage der Kunden in den jeweiligen Märkten abgestimmt ist. Dafür bedarf es des Erhalts von Forschung und Entwicklung sowie von Produktionskapazitäten für die Verbrennertechnologie in Deutschland und der EU.

Eine durch die EU-Regulierung getriebene technologisch einseitige Ausrichtung auf die rein batteriegestützte Elektromobilität ist aus wirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll, da die Nachfrage nach Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor in vielen Automobilmärkten nach wie vor hoch ist.

Ein Ausstieg aus der Verbrennertechnologie und ein reiner „all electric“-Ansatz würde die deutschen Automobilhersteller in etablierten Märkten wie Europa, den USA und China kompetitiv ins Hintertreffen geraten lassen, da damit unterschiedlichen Marktbedingungen und Konsumenteninteressen nicht ausreichend Rechnung getragen werden.

 

Auswirkungen auf die Bruttowertschöpfung

Die Automobilindustrie war jahrzehntelang ein Fundament der europäischen Wirtschaft, steht jedoch nun vor tiefgreifenden Umbrüchen durch die Elektromobilität. Im Jahr 2023 trug die Branche 1,9 Billionen US-Dollar zur Bruttowertschöpfung bei, wobei Technologie- und Autoexporte einen Wert von 620 Milliarden US-Dollar generierten. 

Aktuell trägt ein in Europa hergestelltes und verkauftes Fahrzeug mit Verbrennungsmotor zu 85 bis 90 % des Listenpreises zur europäischen Wertschöpfung bei. Dieser Beitrag verteilt sich etwa hälftig auf direkte Wertschöpfung – beispielsweise durch Kosten für Karosserie, Antriebsstrang, Software und Elektronik – und indirekte Wertschöpfung, wie Forschung und Entwicklung oder die Herstellung.

Bei einem batterieelektrischen Fahrzeug, das von einem europäischen Hersteller in Europa produziert wird, sinkt der Wertschöpfungsanteil auf 70 bis 75 % des Listenpreises. Der Grund hierfür liegt vor allem in der Abhängigkeit von Batterien, die häufig aus Asien importiert werden. Wird ein BEV von einem nicht-europäischen Hersteller in Europa produziert, beträgt der Anteil europäischer Wertschöpfung lediglich 55 bis 60 %. Bei importierten BEVs fällt der Wertschöpfungsanteil sogar auf nur 15 bis 20 %.

Abbildung 3: Europäische Bruttowertschöpfung unterteilt nach Fahrzeugtyp, 2023

Quelle: McKinsey (2024)

 

Risiken von Arbeitsplatzverlusten und Betriebsschließungen

Der Übergang von der Verbrennungsmotor- zu der Elektromobilitätstechnologie stellt die Automobilindustrie vor erhebliche Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf die Beschäftigung. Ein wesentlicher Aspekt dieses Strukturwandels ist die potenzielle Gefährdung von Arbeitsplätzen, die vor allem in der Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor sowie in der Fertigung spezifischer Komponenten wie Motoren, Getrieben und Abgasanlagen angesiedelt sind. Diese Technologie- und Produktionsverlagerung hat bereits in der Vergangenheit zu Arbeitsplatzverlusten geführt und könnte sich durch das geplante Neuzulassungsverbot des von Verbrennern bis 2035 weiter verstärken. Laut einer Studie des ifo Instituts (2021) werden bis zum Jahr 2030 nach konservativer Schätzung mindestens 156.700 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie von einer Transformation der Industrie hin zur Elektromobilität direkt betroffen und gefährdet sein. Maximal kann die Zahl der gefährdeten Arbeitsplätze bis zum Jahr 2030 nach heutigen Berechnungen auf rund 210.500 hinauslaufen. Laut einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wird in den nächsten Jahren mit einem Verlust von bis zu 100.000 Arbeitsplätzen in der klassischen Automobilfertigung gerechnet, während gleichzeitig in Bereichen wie Batterietechnologie, Ladeinfrastruktur und Softwareentwicklung neue Arbeitsplätze entstehen könnten. Einer Prognos-Studie im Auftrag des VDA zufolge könnte die Transformation zur E-Mobilität bis 2035 etwa 190.000 Jobs kosten – wenn die Politik nicht gegensteuert.

Abbildung 2: Anzahl gefährdeter Arbeitsplätze in der Automobilindustrie in Deutschland durch Transformation zur Elektromobilität bis 2030 

Quelle: Statistisches Bundesamt, ifo Institut, VDA

Ein anschauliches Beispiel für die Auswirkungen des Strukturwandels auf Arbeitsplätze bietet das Unternehmen ZF Friedrichshafen, ein führender Automobilzulieferer, der weltweit rund 150.000 Mitarbeiter beschäftigt. ZF war mit einem Umsatz von knapp 43 Milliarden Euro der zweitgrößte deutsche Automobilzulieferer im Jahr 2023. ZF, das traditionell in der Herstellung von Getrieben, Fahrwerken und anderen Bauteilen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren tätig war, hat sich angesichts der Elektrifizierung der Fahrzeugflotten intensiv auf Elektromobilitätslösungen umorientiert. ZF hat 2021 angekündigt, dass das Unternehmen bis 2040 klimaneutral werden möchte, was einen tiefgreifenden Umbau in der Produktion und eine Neuausrichtung auf Elektromobilitätskomponenten bedeutet. Der Wechsel zu E-Antrieben erfordert jedoch nicht nur technologische Anpassungen, sondern auch Veränderungen in der Fertigung und eine potenzielle Reduktion des Personalbedarfs in Bereichen, die mit Verbrennungsmotoren und deren Komponenten verknüpft sind.

Besonders betroffen von dieser Umstellung sind die Produktionsstätten, die derzeit auf Komponenten für Verbrennungsmotoren spezialisiert sind, wie etwa in den Werken von ZF in Schweinfurt und Saarbrücken. ZF hat bereits erste Schritte unternommen, um seine Mitarbeiter für den Wandel in der Elektromobilität zu qualifizieren. Dennoch müssen zahlreiche Arbeitsplätze in der traditionellen Produktion von Verbrennungsmotoren und Getrieben auf langfristige Sicht möglicherweise abgebaut werden, was Auswirkungen auf die regionalen Arbeitsmärkte haben wird. 

 

Ausblick, Rückschlüsse und Forderungen von UNITI

Deutschland steht vor der Herausforderung, seine traditionelle Stärke im Bereich der Verbrennungsmotoren mit den Anforderungen an eine nachhaltige Mobilität zu vereinen. In den Automobilleitmärkten Europa, USA, China sowie weiteren Märkten wie Indien, Japan und Südkorea ist der Neuzulassungsanteil von Pkw mit Verbrennungsmotor weiterhin hoch. Die Vorteile der Verbrennertechnologie, wie Reichweite, Flexibilität und ein verfügbares dichtes Tankstellennetz, bleiben in diesen Märkten somit bestehen. Hybridfahrzeuge spielen in den Leitmärkten eine zunehmend bedeutendere Rolle und lassen diese Vorteile weiterhin nutzbar. Durch innovative Technologien wie erneuerbare Kraftstoffe (z.B. E-Fuels), die Nutzung der bestehenden Infrastruktur sowie Produktionslinien und die bewährte Qualität der deutschen Fahrzeuge hat die Automobilindustrie eine einzigartige Möglichkeit, auch in einer sich wandelnden Branche ihre globale Marktführerschaft zu behaupten und Arbeitsplätze zu erhalten. Der anhaltend hohe Nachfrage nach Pkw mit Verbrenner- oder Hybridantrieb erfordert von deutschen Automobilherstellern flexible Strategien mit einem ausgewogenen Antriebsmix, der auf die Nachfrage der Kunden in den jeweiligen Märkten abgestimmt ist. Es bedarf dafür klarer und verlässlicher Rahmenbedingungen, die beispielsweise von einer technologieoffenen Regulierung bestimmt werden. Eine durch die EU-Regulierung getriebene technologisch einseitige Ausrichtung auf die rein batteriegestützte Elektromobilität ist aus wirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll, da die Nachfrage nach Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor in vielen Märkten nach wie vor sehr hoch ist.

Die Förderung von Forschung und Entwicklung spielt eine zentrale Rolle, um technologische Fortschritte voranzutreiben und gleichzeitig Arbeitsplätze in der Branche zu sichern. Zudem muss der Fokus auf einer nachhaltigen und global wettbewerbsfähigen Wertschöpfungskette liegen, die den hohen Standards des deutschen Automobilbaus gerecht wird. Ein klarer politischer Fahrplan, kombiniert mit dem Engagement der Unternehmen, könnte dazu beitragen, Deutschland nicht nur als Produktionsstandort, sondern auch als Vorreiter im Bereich der Technologieoffenheit zu positionieren. Ein Ausstieg aus der Verbrennertechnologie und ein reiner „all electric“-Ansatz würde dagegen die deutschen Automobilhersteller in etablierten Märkten wie Europa, den USA und China kompetitiv ins Hintertreffen geraten lassen, da damit unterschiedlichen Marktbedingungen und Konsumenteninteressen nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Letztlich wird es darauf ankommen, den Innovationsgeist und die Ingenieurskunst, die Deutschland seit Jahrzehnten prägen, mit einer zukunftsorientierten Strategie zu verbinden, um langfristig wirtschaftlichen und ökologischen Erfolg zu gewährleisten.

Die europäische Pkw-Flottenregulierung muss technologieoffener ausgestaltet werden, sodass europäische Hersteller auf globale Marktbedarfe reagieren können. Die EU sollte schnellstmöglich eine Überarbeitung der Regulierung angehen. Ziel der hiesigen Politik sollte sein, die effiziente Verbrennungsmotoren-(Hybrid)Technologie nicht anderen Regionen der Welt zu überlassen, sondern ihren Vorsprung bei Expertenwissen, Forschung, Entwicklung und Produktion in Europa zu behalten. Dafür müssen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Europäische Alleingänge in Form von Verboten verhindern Innovationen und gefährden Arbeitsplätze in der Automobilindustrie! Verbrenner-Pkw und Hybride sowohl im Fahrzeugbestand als auch bei Neufahrzeugen können durch die Nutzung erneuerbarer Kraftstoffe wirksam in den Klimaschutz einbezogen werden.

Eine Zusammenfassung der hier dargestellten Informationen finden Sie in der „Uniti informiert-Ausgabe „Die globale Bedeutung des Verbrennungsmotors für die deutschen Automobilhersteller“ (April 2025).