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Stellungnahme zum Entwurf des Klimaschutzprogramms (KSP) 2023

UNITI und ihre Mitglieder unterstützen die nationalen und europäischen Klimaschutzziele. Klimaschutz bedeutet zum einen, das Emittieren zusätzlicher Treibhausgas-Emissionen in die Atmosphäre zu verhindern. Es gilt daher, fossile Energieträger als Quelle dieser zusätzlichen Treibhausgase durch erneuerbare Energiequellen und Energieträger auf Basis regenerativer Energien zu ersetzen (Defossilisierung). Zum anderen bedeutet es, alle technologischen Möglichkeiten einzusetzen, um freigesetzte Treibhausgase wie CO2 idealerweise an der Quelle einzufangen oder der Atmosphäre wieder zu entnehmen (CO2-Abscheidung und -Speicherung). Das im Programm genannte Ziel einer „Dekarbonisierung“ halten wir für nicht praktikabel, da auch in einer klimaneutralen Welt Kohlenstoff ein unverzichtbarer Rohstoff sein wird. Der zukünftig eingesetzte Kohlenstoff beispielsweise in Kohlenwasserstoffen muss aber Teil eines geschlossenen CO2-Kreislaufs sein.

Zurecht verweist die Bundesregierung in ihrem Programm darauf, dass bei der Erfüllung der Klimaschutzziele stets auch die Bezahlbarkeit von Energie, die Versorgungssicherheit des Landes und die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft berücksichtigt werden müssen. Nur so wird aus unserer Sicht Akzeptanz in der Bevölkerung für die angestrebte Transformation erzielt. Weiterhin gilt es, einseitige Abhängigkeiten, sei es bezüglich Ressourcen oder Energien, zu vermeiden. Stattdessen ist es wichtig, auf der Grundlage von Partnerschaften eine möglichst große Angebotsvielfalt zu erschließen.

Darüber hinaus müssen Klimaschutzmaßnahmen global wirken, d. h. es bedarf Lösungen, die den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger weltweit ermöglichen und diese nicht nur örtlich verlagern. Nationale Klimaschutzprogramme sind im Kontext nationaler und europäischer CO2- Minderungsziele zwar verständlich, aber sollten im Kern zumindest so gewählt und ausgestaltet sein, dass die darin enthaltenen Maßnahmen weder zur Verlagerung von THG-Emissionen ins Ausland mit geringeren oder keinen Klimaschutzzielen (Carbon Leakage) führen, noch die globale Dimension des Klimaschutzes unbeachtet vorlassen.

Die Komplexität und die Vielfalt dieser Herausforderungen machen deutlich, dass es eines breiten (Technologie-)Lösungspfads in der Klimaschutzpolitik bedarf. Einseitige Technologievorgaben führen zu deutlich höheren volkswirtschaftlichen Gesamtkosten wie verschiedene Studien in den letzten Jahren aufgezeigt haben1. Ziel der Politik sollte es daher sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein möglichst breites Feld an Optionen unterschiedlicher Klimaschutzlösungen ermöglichen, ohne dass staatliche Eingriffe deren Etablierung behindern. Denn beeindruckend viele Klimaschutztechnologien weisen bereits eine hohe Anwendungsreife auf, wie beispielsweise EEAnlagen, Elektrolyseure zur Gewinnung von Wasserstoff oder Synthesereaktoren zur Herstellung synthetischer Energieträger (PtG/PtL). Die heutzutage noch begrenzte Verfügbarkeit dieser Energieträger sollte Motivation sein, auf Grundlage geeigneter Rahmen- und Marktbedingungen einen industriellen Produktionshochlaufs anzureizen, um schnell marktrelevante Mengen global zur Verfügung zu haben.

Diese Offenheit gegenüber verschiedenen Lösungsoptionen sollte auch für die Ausgestaltung der heimischen Energiewende gelten, die nach unserem Dafürhalten derzeit eine zu einseitige Ausrichtung auf den Einsatz von Strom aus erneuerbarer Energie (EE) hat. Diese Fokussierung ist zum einen problematisch, weil sie die Notwendigkeit anderer Energieformen2 unterschätzt, und zum anderen die rein technische Energieeffizienz eindimensional als nahezu alleiniges Ziel ausruft, ohne dabei die gesamte Erzeugungskette und deren THG-Bilanzen zu betrachten. Zudem besteht zukünftig das beträchtliche Risiko, dass die heimische EE-Stromproduktion den durch Elektrifizierung steigenden Energiebedarf in allen Sektoren nicht wird decken können3. Es braucht weitere Bausteine, um eine gelungene Energiewende zu etablieren. Wir verweisen hier auf das Kapitel „Schlussfolgerungen“ der in der Fußnote genannten Studie.

Für unerlässlich halten wir es, dass bei sämtlichen Klimaschutzmaßnahmen stets ein gesamtbilanzieller Ansatz bei der Ermittlung der CO2-Bilanz einer Anwendung gewählt wird (Lebenszyklus- Systematik). Denn Betrachtungen, welche beispielsweise die eingesetzte Energie und deren CO2- Bilanz oder die CO2-Bilanz zur Herstellung einer Anwendungstechnologie nicht berücksichtigen, lassen keine vollständige Klimaschutzbilanzierung zu.

Klimaschutz wird in der Debatte hierzulande besonders oft mit Verzicht (z. B. bei der Mobilität wie Reisen), Schrumpfung (Wirtschaft/Wohlstand) oder notwendigen Verteuerungen (CO2-Steuern ohne Hochlauf CO2-armer Alternativen) gleichgesetzt. Akzeptanz wird es in der Gesellschaft dafür nicht geben, ebenso wenig wird eine solche Klimaschutzpolitik Nachahmer in der Welt finden, denn gerade in der aktuellen Phase erhöhter Unsicherheiten (Außenpolitik/ globaler Energiehandel) sind Aspekte wie bezahlbare Energie, Energiebevorratung und sichere Bezüge wieder mehr in den Vordergrund4 gerückt. Fossile Energien in Form von Erdöl/-produkten und Erdgas können hier ihre globale Mengenverfügbarkeit und Verbringung auf Grundlage etablierter, jahrzehntelang gewachsener Handelsmechanismen als Vorteile ausspielen. Möchte man diese fossilen Energieträger verdrängen, so braucht es marktreife Lösungen, die zum einen erneuerbare Alternativen wie Grünstrom, Wasserstoff und flüssige sowie gasförmige Wasserstoffderivate wirtschaftlich attraktiv machen und heimische Potenziale besser ausnutzen (biogene Lösungen inkl. Abfällen). Das Klimaschutzprogramm sollte daher neben Einzelmaßnahmen auch konkret aufzeigen, wie die Bundesregierung gemeinsam mit ihren internationalen Partnern Klimaschutzlösungen vorantreiben möchte.

Zu einigen im Programm aufgeführten Maßnahmen positionieren wir uns wie folgt:
Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG): In einem neuen GEG sollten auf Grundlage eines technologieoffenen Ansatzes sämtliche Lösungsoptionen Berücksichtigung finden, die unter Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien einen nachweislichen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten können. Dazu gehören flüssige oder gasförmige Energieträger, die als synthetische Produkte unter Verwendung von grünem oder blauem Wasserstoff hergestellt werden (insbesondere grüne Power-to-Liquid-Produkte bzw. strombasierte E-Fuels) oder auf Biomasse basierte Flüssigbrennstoffe, zu denen hydrierte Produkte auf Basis von Pflanzenölen, Rest- und Abfallstoffen zählen. Eine Anwendungsvielfalt bei den Erfüllungsoptionen der Gesetzesziele wird sich positiv auf die Bezahlbarkeit und Akzeptanz der angestrebten „Wärmewende“ auswirken.

Carbon Management-Strategie (CMS): Die Strategie sollte den strategisch-regulativen Rahmen zur Weiternutzung (CCU) unvermeidlicher CO2-Emissionen zum Beispiel für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe festlegen. Die Chancen zur Wiederverwendung von CO2 mit dem Ziel der Vermeidung neuer fossiler CO2-Emissionen sollte ergebnisoffen und ideologiefrei geprüft werden.

Verstärkte Nutzung des Potenzials synthetischer Kraftstoffe: Wir begrüßen die genannten Maßnahmen ausdrücklich und regen eine möglichst zeitnahe Umsetzung an. Für einen erfolgreichen Hochlauf gehört auch die Berücksichtigung flüssiger synthetischer Energieträger im Rahmen der für dieses Jahr angekündigten Importstrategie für Wasserstoff-Derivate und die in der Überarbeitung der Nationalen Wasserstoffstrategie vorgesehenen breiten Anwendungsmöglichkeit dieser Energieträger in allen Sektoren.

CO2-Aufschlag auf die Lkw-Maut: Wir sehen eine CO2-Bilanzierung, die nur die Nutzungsphase des Fahrzeugs als Grundlage der Aufschlagsberechnung beinhaltet, kritisch. Die CO2- Minderungswirkung regenerativer Kraftstoffe wie HVO, Bio-LNG, Bio-CNG, Bioflüssigkraftstoffe und E-Diesel kann auf diese Weise nicht berücksichtigt werden. Wir plädieren daher für eine schnelle Lösungsfindung zur Berücksichtigung dieser Kraftstoffe5.

Novelle Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge (Lkw): Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, sich im Gesetzgebungsprozess für eine regulative Berücksichtigung der CO2- Minderungswirkung regenerativer Kraftstoffe einzusetzen. Angesichts der Bedeutung zuverlässigen Straßengütertransports für Wirtschaft und Bevölkerung und des absehbar zeitintensiven Aufbaus alternativer Energiesysteme für E- oder Wasserstoff-Lkw müssen CO2- neutrale Kraftstoffe regulatorisch neu ausgerichtet werden: Dazu ist es zielführend, eine Systematik bei der Ermittlung der CO2-Emissionen einzuführen, welche den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs erfasst, mindestens jedoch die Antriebsherstellung berücksichtigt (Well-to-Tank). Derzeit werden nur die Emissionen in der Nutzungsphase eines Fahrzeugs betrachtet (Tank-to-Wheel).

Schnellladepunkte an Tankstellen: Eine gesetzliche Verpflichtung lehnen wir ab. Der Aufbau eines Ladenetzes sollte und wird dort erfolgen, wo es wirtschaftlich sinnvoll ist.

Besteuerung nach Klimawirkung: Die Haltung der Bundesregierung unterstützen wir ausdrücklich. Wir regen zudem an, eine Ausrichtung der Energiesteuer auf den Anteil fossiler CO2-Emissionen zu prüfen.

Energieeffizienzgesetz (EnEfG): Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) droht die Umsetzung neuer Vorgaben, die einen hohen Managementaufwand verursachen, ohne dass sichergestellt ist, dass eine klimapolitische Wirkung durch Energieeinsparungen damit erzielt werden kann. Das Gesetz sollte die Balance zwischen Aufwand und Ergebnis für KMU genau prüfen, um diese nicht zu überfordern.