Warum die mittelständischen Tankstellen eine Versorgungsauflage für Schnellladesäulen an Tankstellen ablehnen

Warum die mittelständischen Tankstellen eine Versorgungsauflage für Schnellladesäulen an Tankstellen ablehnen

Am 29. Mai 2024 hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetzes (GEIG) angenommen. Das Gesetz sieht eine Versorgungsauflage für Tankstellen hinsichtlich des Aufstellens und Betreibens von Schnellladesäulen vor. Folgende Gründe sprechen aus Sicht von UNITI gegen eine solche Versorgungauflage:

Wirtschaftlichkeit für verpflichtete Tankstellenbetreiber ist nicht gegeben:

1. Die zukünftige Zahl an Abnehmern von Ladestrom ist äußerst unsicher:

  • Grundannahme des Gesetzes ist ein Bestand von 15 Millionen zugelassenen Elektro-Pkw in 2030. Dieser Wert erscheint äußerst unrealistisch1 und somit auch der damit verbundene benötigte öffentliche Ladebedarf an Lade-Hubs wie Tankstellen. So waren zum 1.1.2024 nur 1,5 von 49,1 Millionen Pkw im Bestand reine batteriebetriebene Elektroautos (BEV). Die Neuzulassungszahlen für BEV sind schwach. Experten rechnen selbst in den optimistischen Szenarien mit einem Bestand von maximal 8 Millionen BEV in 2030. Eine wesentliche Begründung der Versorgungsauflage basiert damit auf unrealistischen Annahmen und die Auflage ist unverhältnismäßig.
  • Ob zudem überhaupt ein entsprechender öffentlicher Ladebedarf Mitte der 2030er Jahre bestehen wird, der Schnellladesäulen (SLS) an Tankstellen notwendig macht, ist derzeit nicht abzusehen, selbst wenn ab 2035 in der EU nur noch BEV zugelassen werden können. Denn eine Revision des faktischen „Verbrennerverbots“ soll nach Willen von CDU/CSU und FDP bereits 2025 angestrebt werden und die Zulassung von Verbrennern unter Berücksichtigung der Nutzung regenerativer Kraftstoffe regulativ ermöglicht werden.

2. Die Investitions- und Betriebskosten sind deutlich höher als Gesetzgeber angibt:

  • Die Gesamtkosten zur Errichtung und zur Inbetriebnahme liegen im Durchschnitt bei 400.000 EUR pro erstmalig errichteter SLS (dem Dreieinhalbfachen des in der Gesetzesbegründung genannten Wertes). Bei laut Gesetz 8.063 neu zu errichtenden Ladepunkten liegt der Gesamtinvestitionsaufwand damit bei über 3,2 Mrd. Euro.
  • Die Betriebskosten belaufen sich nach unseren Erkenntnissen auf ca. 16.000 EUR pro SLS. Das Gesetz geht von nur „1.000 Euro pro Ladesäule beziehungsweise Ladepunkt“ aus.
  • Mit der verordneten Pflicht, Investitionen an nahezu sämtlichen Standorten ohne Prüfung der Wirtschaftlichkeit tätigen zu müssen, würden Investitionsmittel von sinnvollen Standorten hin zu nicht wirtschaftlichen Standorten fehlgelenkt werden.

3. Ein Überangebot an öffentlicher Ladeleistung ist bereits heute gegeben:

Bereits heute besteht in Deutschland ein Überangebot von öffentlicher Ladeleistung:

  • Stand 1. Juli 2024 stehen 100.838 öffentliche Ladepunkte mit insgesamt 4,5 GW installierter Ladeleistung zur Verfügung. Die EU gibt 1,3 kW installierte Ladeleistung pro batterieelektrisches Fahrzeug und 0,8 kW pro Plug-In Hybrid vor. Für Elektro-Pkw in Deutschland ergibt dies einen Bedarf von 2,23 GW. Damit ist heute in Deutschland schon doppelt so viel Ladeleistung installiert wie europäisch vorgegeben.
  • Je nach Standort liegt die Belegung zwischen 3 und 25 Prozent pro Tag (über 24 Stunden). Im Durchschnitt waren die öffentlichen Ladepunkte zu 11,6 Prozent der Zeit belegt. Der BDEW kommt zu dem Ergebnis, dass es in Deutschland „ein Überangebot an Lademöglichkeiten“ gibt. „Die Belegung bei den öffentlichen Ladesäulen zwischen 3 und 25 Prozent zeigt klar, dass mehr als genug Ladesäulen bereitstehen.“
  • Nach Erhebungen bei unseren Mitgliedsunternehmen erfolgen derzeit durchschnittlich 1,3 Ladevorgänge pro Tag. Bei einem Investitionsvolumen von durchschnittlich 400.000 EUR pro SLS wären aber mindestens 30 Ladevorgänge pro Tag erforderlich, um entsprechende Investitionen wirtschaftlich tragfähig zu gestalten. Eine solche Investition rechnet sich, wenn überhaupt, nur an ausgewählten Standorten etwa in Ballungszentren.

Gesetz verursacht Wettbewerbsverzerrungen und Diskriminierungen:

4. 60 bis 80 Prozent aller Ladevorgänge finden vorwiegend an Orten statt, an denen sich die Menschen ohnehin aufhalten: etwa zu Hause, am Arbeitsplatz oder im Parkhaus während des Einkaufs. Eine SLS-Pflicht für Tankstellen würde somit an einem nachfrageorientierten Ladenetzangebot vorbeiregeln.

5. Tankstellen sind nicht „in besonderem Maße geeignet“ ein öffentliches Ladeangebot zu bieten, da sie technisch auf die Abgabe von flüssigen oder gasförmigen Kraftstoffen an Fahrzeuge ausgelegt sind. Der Aufbau von Ladeinfrastruktur geht mit erheblichen baulichen und damit kostenintensiven Veränderungen einher, denn viele Tankstellenstandorte verfügen beispielsweise nicht über ausreichend große Flächen.

6. Die vorgesehenen Härtefallregelungen sind unpraktikabel (Umkreis von 1.000m als Alternativstandort), wirtschaftlich unrentabel (Höchstens 50 Prozent der SLS können an einem anderen Tankstellenstandort als  zusätzliche Punkte aufgebaut werden) und unzureichend („unzumutbare Belastung“ zu unspezifisch).

7. Von der Versorgungsauflage wären auch Betreiber betroffen, die in ländlichen Gebieten Tankstellen betreiben. Hier ist von einer deutlich geringeren Nachfrage beim Stromladen als in Ballungsgebieten auszugehen. Dies würde einen klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Marktbegleitern bedeuten.

8. Eine staatliche Versorgungsauflage bedeutet, dass keine staatliche Förderung mehr möglich sein wird. Die an der Tankstelle anzulegenden Endkundenpreise für Ladestrom wären damit noch mehr indirekt abhängig von den Investitions- und Betriebskosten. Diese Preise würden in direkter Konkurrenz zu Preisen anderer öffentlich zugänglicher Ladepunkte stehen, die über Förderprogramme der öffentlichen Hand (z.B. durch das „Deutschland-Netz“) aufgebaut wurden. Wir sehen zudem die Gefahr möglicher Diskriminierungen, wenn im Nahbereich verpflichteter Unternehmen ein „kleinerer“, unverpflichteter Wettbewerber angesiedelt ist, der mit Hilfe staatlicher Förderungen eine SLS aufbauen kann.

Gesetz verletzt Grundrechte und ist verfassungswidrig:

9. Die „Preissetzungshoheit“ als grundlegendes Merkmal für die Betroffenheit ist vollkommen ungeeignet. Mineralölunternehmen, die zwar die Preissetzungshoheit haben, aber nicht Eigentümer der Station sind, werden diskriminiert gegenüber Unternehmen, die ausschließlich bei eigenen Stationen die Preishoheit ausüben. Daher sollten Partnertankstellen, die sich nicht im Eigentum der Gesellschaft befinden, keine Anrechnung bei der Schwellenwertfeststellung finden.

10. Die Auflage stellt einen schwerwiegenden Eingriff in den Gewerbebetrieb und damit in die Grundrechte von Tankstellenbetreibern dar. Betroffen sind sowohl die Berufsfreiheit als auch die Gewerbefreiheit gemäß Art. 12 GG sowie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß Art. 14 GG. Diese genannten Grundrechte sind das Fundament der Freiheit der unternehmerischen Betätigung, in die durch das geplante Gesetz erheblich eingegriffen wird.

11. Ein solcher Eingriff ist auch nicht durch den Klimaschutzauftrag nach Art. 20a GG gerechtfertigt. Der Klimaschutzauftrag rechtfertigt keine ungeeigneten oder unverhältnismäßigen Eingriffe in die Grundrechte nach Art. 3, 12, oder 14 GG.

12. Es gibt keine Bestandsgarantie der geplanten Regulierung. Dem Gesetzgeber steht es frei, in Zukunft den Schwellenwert (Preissetzungshoheit für 200 Tankstellen) weiter herabzusetzen.

Das Gesetzesvorhaben lehnen wir in Gänze ab und fordern die Regierungsfraktionen dazu auf, das Gesetzesvorhaben zu beenden.
Trotz der Härtefallregelung muss damit gerechnet werden, dass aufgrund der hohen Kostenbelastungen Betriebsschließungen erfolgen könnten. Dies könnte negative Auswirkungen auf die flächendeckende Versorgung der Öffentlichkeit und von staatlichen Diensten mit Kraftstoffen haben.